top of page

Torwartschule Borussia – Tiago Pereira Cardoso und die große Erwartung

  • Autorenbild: Nico Kellmann
    Nico Kellmann
  • 31. März
  • 3 Min. Lesezeit

Es ist der 1. März 2025, Flutlicht über der Ostalb. Heidenheim gegen Gladbach klingt nicht nach großem Kino, aber für einen jungen Mann in Schwarz ist dieser Abend mehr als nur ein Bundesligaspiel. Tiago Pereira Cardoso steht im Tor von Borussia Mönchengladbach. 18 Jahre alt. Debütant. Schüler. Und doch wirkt er, als würde er das hier schon seit Jahren machen.


Ein Debüt aus der Not – und mit Ansage


Dass Cardoso überhaupt in diesem Spiel zwischen den Pfosten steht, hat mit Pech, aber auch mit Vertrauen zu tun. Stammkeeper Jonas Omlin ist verletzt, auch Moritz Nicolas fällt kurzfristig aus. Trainer Gerardo Seoane steht vor der Wahl: einen erfahrenen Keeper nachmelden oder dem U19-Torwart eine echte Bühne geben.



ree

Er entscheidet sich für Cardoso. Nicht, weil er muss – sondern, weil er will.

„Tiago soll mit dem Gefühl in das Spiel gehen, dass das eine tolle Situation ist und eine Riesenchance“, sagt Seoane vor dem Spiel. Und weiter: „Wir werden ihn genau auf seine Aufgabe vorbereiten und ihm auch sagen, dass Fehler einfach dazugehören.“

Am Ende macht Cardoso keine. Kein Wackler, kein Patzer. Gladbach gewinnt 3:0. Cardoso bleibt ohne Gegentor. Und ohne große Geste.



Von Luxemburg über Fola Esch an den Niederrhein


Cardoso kommt aus Esch-sur-Alzette, einer Kleinstadt im Süden Luxemburgs. Fußball spielte er zunächst bei CS Sanem und später beim bekanntesten Klub des Landes, Fola Esch. Dort fiel er durch seine enorme Reichweite, gutes Timing und ein feines Gefühl für Spielsituationen auf – nicht alltäglich für einen Torhüter in seinem Alter.

2022 nimmt ihn Borussia Mönchengladbach in die Jugendakademie auf. Der Wechsel: kein Hype, keine große Ankündigung – eher ein ruhiger Schnitt. Doch Cardoso entwickelt sich. In der U19 überzeugt er durch seine Ruhe, seine Präsenz. In der Regionalliga tastet er sich langsam ans Erwachsenenspiel heran. Und dann, im März 2025, geht alles schneller als gedacht.


Zwischen Klassenarbeiten und Bundesliga


Was Cardoso besonders macht, ist nicht nur das, was er auf dem Platz zeigt – sondern auch, was parallel läuft. Denn während er auf dem Rasen Bundesliga-Angreifern gegenübersteht, sitzt er morgens im Klassenraum. Gesamtschule Hardt, Abiturjahrgang.

„Das ist nicht so einfach in einem Beamtenstaat wie in Deutschland“, sagt Sportdirektor Roland Virkus mit einem Augenzwinkern. „Sport zählt halt sehr wenig.“ Der Klub versucht, Schule und Leistungssport in Einklang zu bringen. Nicht leicht, aber: Cardoso trägt seinen Teil mit stoischer Gelassenheit.

„Er strahlt eine Ruhe und Sicherheit aus für so ein Alter, das ist schon beeindruckend“, sagt Mitspieler Rocco Reitz. Und wer ihn spielen sieht, versteht sofort, was er meint.


Früh gereift – auch im roten Trikot


Sein Talent bleibt nicht nur in Gladbach nicht unentdeckt. Auch Luxemburg, das kleine Fußballland zwischen Euphorie und Realismus, setzt früh auf ihn. Im Juni 2023, gerade 17 Jahre alt, wird Tiago Pereira Cardoso in einem Freundschaftsspiel gegen Malta zur zweiten Halbzeit eingewechselt. Sein Debüt im A-Nationalteam. Kein Altersbonus, keine symbolische Geste – sondern eine Entscheidung für Qualität.


ree

Er bleibt ohne Gegentor. Spielt ruhig, abgeklärt, als sei auch das nicht neu für ihn. Es ist ein Spiel, das international kaum jemand mitbekommt – aber in Luxemburg als Signal gilt: Das ist der Torhüter der Zukunft. Und vielleicht schon der Gegenwart.

Dass er im gleichen Jahr auch bei der U21 EM-Quali zum Einsatz kommt, zeigt: Der Verband setzt auf ihn – mit voller Überzeugung. Und während Luxemburg in Europa längst nicht mehr nur Kanonenfutter ist, könnte Cardoso zu einer Generation gehören, die das Image des Underdogs langsam ablegt.


Ein Tor, das schon große Namen gesehen hat


Borussia Mönchengladbach hat eine Geschichte mit jungen Torhütern, die früh Verantwortung übernehmen. Marc-André ter Stegen war 18, als er ins Tor rutschte und sich dort festspielte. Seine Aura, seine Technik – bis heute unvergessen.

Yann Sommer kam später, war der Gegenentwurf: kleiner, aber explosiv, der Mann der Linie. Beide prägten das Spiel von hinten – jeder auf seine Weise.

Cardoso? Steht irgendwo dazwischen. Groß, modern, mitspielend. Aber kein Lautsprecher. Eher ein Beobachter. Ein Versteher.


Der Anfang von etwas? Vielleicht.


Nach dem 3:0 in Heidenheim redet niemand lange über ihn. Und das ist das beste Kompliment. Keine Heldengeschichte. Kein medialer Hype. Einfach ein Torwart, der seinen Job gemacht hat. Beeindruckend gut.


ree

„Tiago hat das emotional sehr gut kontrolliert. Er hat gute Entscheidungen im Spielaufbau getroffen und die Situationen gut gelesen“, sagt Trainer Seoane nach dem Spiel. Und zwischen den Zeilen klingt das mit: Da geht mehr.


Noch ist nichts entschieden. Noch ist alles offen. Aber wenn in Gladbach über die Zukunft gesprochen wird, fällt sein Name schon nicht mehr nur im Jugendtrakt.


Tiago Pereira Cardoso. 18 Jahre alt. Zwischen Schulbank, Nationalteam und Bundesliga.


Vielleicht nicht der neue ter Stegen.

Aber vielleicht einfach: der erste Pereira Cardoso.

Kommentare


abonniere unseren newsletter

Kontaktiere uns

bottom of page