Deutschlands Peter Crouch: Nick Woltemades Aufstieg zum Shootingstar
- Nico Kellmann

- 27. März
- 4 Min. Lesezeit
Ein Dienstagabend im März, Flutlicht über Darmstadt. Das Stadion am Böllenfalltor ist ausverkauft, auch wenn es „nur“ ein U21-Spiel ist. Deutschland gegen Spanien – ein Härtetest, wie man ihn sich wünscht vor einer Europameisterschaft. Alle schauen auf die flinke Offensive der Spanier, auf Ballbesitz und Passstafetten. Doch als das Spiel abgepfiffen wird, spricht alles nur noch über einen: Nick Woltemade. Drei Tore. Ein Dreierpack. Ein Abend, der vielleicht der Startschuss war für etwas Größeres.
Der Lulatsch, der zaubern kann
Als Nick Woltemade das erste Mal öffentlich auf sich aufmerksam machte, war er noch keine 18 Jahre alt. Jugendspieler bei Werder Bremen, schlagsig, irgendwie noch nicht fertig gewachsen – aber mit einem Ballgefühl, das irritierte.
Zu groß, zu technisch. Zu langsam, zu klug. „Er bringt Fähigkeiten mit, die man nicht trainieren kann“, sagte sein damaliger Trainer Florian Kohfeldt. Und schickte ihn in der Rückrunde 2020 mitten rein in den Abstiegskampf. Der Plan: dem Wunderkind ein paar Minuten geben, es wachsen lassen. Die Realität: Werder stürzte ab, Woltemade ging unter.
Er blieb. Machte weiter. Wurde verliehen. Nicht nach Belgien oder Holland wie viele andere, sondern nach Elversberg. Dritte Liga. Region. Regen.
Raus aus dem Scheinwerfer, rein in den Matsch
In Elversberg lernte Woltemade, wie hart Fußball ist, wenn keiner applaudiert. Wenn die Zweikämpfe länger dauern und die Rückennummern mit Tape geklebt sind. Aber er spielte. Traf. Wuchs. Nicht nur körperlich – mental.
„Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, sich durchzubeißen. Die 3. Liga war genau das, was ich gebraucht habe“, sagte er später über diese Zeit.
Als er im Sommer 2023 nach Bremen zurückkehrte, war er größer, stabiler, reifer – aber nicht viel näher an der Startelf als zuvor.
Die Saison des Wartens
Werder verlängerte seinen Vertrag nicht. Die Konkurrenz im Sturm wuchs, das Vertrauen blieb aus. Er trainierte mit, spielte in Testspielen, zeigte sich – aber der Knoten platzte nicht.
Es war eine Saison des Wartens. Auf Minuten. Auf Gespräche. Auf eine Rolle, die keiner mehr für ihn vorgesehen hatte.
„Ich hätte mir natürlich mehr Einsätze gewünscht“, sagte er später einmal. „Aber ich habe versucht, das Beste draus zu machen.“
Ein bisschen war diese Rückkehr wie ein Abschied, der sich nicht verabschiedet hatte. Und irgendwann wurde klar: Wenn sich etwas ändern soll, muss sich alles ändern.
Stuttgart: Der Transfer, der keiner sein sollte – und doch alles änderte
Im Sommer 2023 wechselte Woltemade ablösefrei zum VfB Stuttgart. Sebastian Hoeneß wollte ihn. Er hatte ihn beobachtet, erkannt, dass da einer ist, der in keiner Statistik auffällt – aber in jedem guten Spiel zu sehen ist.
Doch der Start war holprig. Keine Nominierung für den Champions-League-Kader. Minuten nur sporadisch. Und doch: keine Klagen, kein Berater-Drama, kein Insta-Post mit „Geduldig bleiben 🙏💪“. Nur Arbeit.
Irgendwann, wie so oft im Fußball, brauchte es nur eine Gelegenheit. Ein Ausfall. Eine taktische Umstellung. Und Woltemade war da.
Er lief. Spielte. Traf. Erst ein Joker-Tor gegen Mainz, dann ein Startelfeinsatz gegen Heidenheim – wieder ein Treffer. Plötzlich ein Lauf.
Zwölf Tore, drei Vorlagen. Alles still eingesammelt. Keine Großaufnahme. Nur ein immer größer werdender Wert auf dem Spielberichtsbogen.
Woltemessi, Peter Crouch, oder einfach: Nick
Sein Stil? Schwer zu fassen. Zu groß für Tempo, zu leichtfüßig für das Zentrum, zu uneitel für den Neuner. Ein bisschen Peter Crouch mit besserer Technik, ein bisschen „Woltemessi“, wie ihn manche Fans mittlerweile nennen.
„Ich nehme das mit, wie es kommt. Ich will am Ende einfach meinen eigenen Weg gehen“, sagt er. Und meint das nicht als Schutzschild, sondern als Haltung.
Spanien. Und dann?
Gegen Spanien beginnt er wieder von Anfang an. In der dritten Minute ein feiner Lupfer nach Doppelpass mit Paul Nebel. In der 56. Minute dreht er sich nach Flanke von Knauff geschickt um den Gegenspieler und schließt flach ins lange Eck ab. In der 79. steigt er nach Flanke von Martel am höchsten und köpft das Ding unter die Latte. Drei Tore, drei verschiedene Varianten.
„Ich habe in den letzten Wochen einige gute Spiele gemacht, aber drei Tore in einem Profispiel hatte ich noch nicht. Unglaublich“, sagt er nach Abpfiff mit einem breiten Grinsen.
Julian Nagelsmann saß auf der Tribüne. Notizblock in der Hand. Keine Miene. Aber man darf davon ausgehen: Woltemade steht drauf.
Was kommt jetzt?
Der FC Bayern soll ihn beobachten. Stuttgart will verlängern. Der Vertrag läuft bis 2028. Eine Ausstiegsklausel gibt’s nicht. Und das ist auch gut so – denn der VfB ist der perfekte Ort für einen wie ihn. Kein Verein, der Spieler verheizt. Sondern einer, der sie aufblühen lässt.
Bundestrainer Julian Nagelsmann sagte: „Er macht das gut. Er ist ein spannender Spielertyp. Aber es geht um Konstanz.“
Und Woltemade? Der bleibt ruhig. Weil er gelernt hat, dass Fußball nicht linear ist. Dass Rückschritte dazugehören. Dass Größe auch Geduld braucht.
Vielleicht wird er nie wie Kane. Vielleicht nie wie Crouch. Vielleicht ist „Woltemessi“ auch einfach nur ein Meme.
Aber was Nick Woltemade aktuell spielt – das ist neu, aufregend, eigen.
Und das ist in einem Land, das seit Jahren nach einem neuen Stürmer ruft, schon mal ein ziemlich guter Anfang.







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