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Die Stimme im Tor – Almuth Schult und ein Abschied mit Haltung

  • Autorenbild: Nico Kellmann
    Nico Kellmann
  • 31. März
  • 3 Min. Lesezeit

Das Spiel läuft längst woanders. Die Lichter gehen aus. Kein Trikot mit der Nummer eins, kein Blick, der dirigiert, kein Zuruf aus dem Fünfer. Almuth Schult hat ihre Karriere beendet – mit 34 Jahren, leise, aber mit Nachhall. Eine der besten deutschen Torhüterinnen der Geschichte geht – und hinterlässt weit mehr als leere Torpfosten.


Vom Wendland auf die Weltbühne


Ihr Weg beginnt fernab von Leistungszentren, in Gartow, einem Dorf im niedersächsischen Wendland. Almuth Schult ist fünf Jahre alt, als sie das erste Mal im Tor steht – „weil es sonst niemand machen wollte“, wie sie später einmal sagt. Sie bleibt einfach drin.

Der Ball zieht sich durch ihre Kindheit, durch Lüchow, durch die Jugendteams des Hamburger SV, bis zum Magdeburger FFC. Dort wird aus Talent Struktur. Aus Ehrgeiz: Plan.

2011 wechselt sie zum SC 07 Bad Neuenahr, wird Bundesligatorhüterin, Nationalspielerin. Und zwei Jahre später beginnt in Wolfsburg die Phase, in der sie aufhört, eine Hoffnung zu sein – und zur besten ihres Fachs wird.


Wolfsburg: Titel, Titel, Titel


Beim VfL Wolfsburg wird Almuth Schult zur Symbolfigur einer der erfolgreichsten Mannschaften Europas. Sechs deutsche Meisterschaften. Acht DFB-Pokalsiege. Eine Champions-League-Trophäe 2014. Sie ist die ruhige Hand hinter der Dominanz der „Wölfinnen“.


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Anders als viele Kolleginnen, lebt sie den Torwartberuf mit strategischem Blick. Ihre Paraden sind selten für Highlightvideos gemacht – aber fast immer wichtig. Schult spielt vorausschauend, dirigiert, liest das Spiel. Sie ist keine Showfrau, sondern ein Ruhepol, der Raum kontrolliert, ohne ihn laut zu beanspruchen.


Die Nationalelf und die Goldmedaille von Rio


Zwischen 2011 und 2022 steht sie 66-mal für die deutsche Nationalmannschaft im Tor. Ihr größter Moment kommt 2016 in Rio de Janeiro, beim Finale der Olympischen Spiele. 2:1 gegen Schweden, ein schwer erkämpfter Sieg im Maracanã – und Schult hält, was zu halten ist.

Sie wird Olympiasiegerin. Doch statt sich im Glanz zu verlieren, nutzt sie die Bühne anders. Sie wird zur Stimme für mehr Sichtbarkeit, mehr Gerechtigkeit, mehr Professionalität im Frauenfußball.



„Es geht schlicht um Gleichberechtigung“

Almuth Schult war nie jemand, der redet, um gehört zu werden. Wenn sie spricht, dann weil es wichtig ist. In Interviews, auf Panels, im Fernsehen. Ihre Botschaften sind klar.


„Es geht schlicht um Gleichberechtigung und Chancengleichheit“, sagt sie 2022 in einem NDR-Interview – eine Aussage, wie sie typisch für sie ist: unprätentiös, aber treffend. Sie thematisiert offen das Gefälle zwischen Männer- und Frauenfußball, kritisiert Strukturen, die Frauen systematisch benachteiligen. Und sie tut das nicht als Aktivistin im Außenspiegel, sondern als aktive Spielerin.


Im DFB-Spielerrat bringt sie sich ein, kämpft intern für Veränderungen. Sie ist unbequem, aber immer konstruktiv. Eine, die mitdenkt – und dann auch handelt.



Familie, Mikrofon, Comebackversuche


2022, nach ihrer dritten Schwangerschaft, wagt sie den Schritt in die USA. Sie wechselt zu Angel City FC in die aufstrebende NWSL, will dort sportlich und strukturell mitwirken. Doch das Abenteuer wird kurz – Familie und Entfernung lassen sich nicht dauerhaft vereinen.


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Zurück in Deutschland versucht sie es noch einmal – beim Hamburger SV, in der Regionalliga. Ohne Starallüren, einfach um zu spielen. Doch als sie 2024 ihr viertes Kind erwartet, wird klar: Es wird kein weiteres Comeback mehr geben.


„Es ist einfach nicht mehr mein Platz“

Mit diesen Worten beendet Almuth Schult ihre Karriere. Kein Bühnenabgang, keine Tränen, kein medialer Zirkus. Nur ein Satz – und der reicht.

Sie bleibt dem Fußball erhalten, als Expertin in der ARD, mit ihrer Stimme, ihrem Wissen, ihrer Glaubwürdigkeit. Und mit einem Leben, das längst größer ist als die paar Quadratmeter Torraum.


Mehr als nur eine Torhüterin


Almuth Schult hat vieles gewonnen – aber vielleicht hat sie am meisten bewegt. Weil sie über den Ball hinausgedacht hat. Weil sie wusste, dass Fußball politisch ist. Und weil sie begriffen hat, dass man manchmal lauter werden muss, wenn man wirklich etwas verändern will.

Sie war keine, die Schlagzeilen suchte. Aber sie war immer eine, die Spuren hinterließ.

Und deshalb wird man sich an sie erinnern – nicht nur als großartige Torhüterin.

Sondern als jemanden, der immer wusste, wann man stehen bleibt. Und wann man gehen muss.

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