top of page

Diego: Magie am Ball, für immer grün-weiß

  • Autorenbild: Nico Kellmann
    Nico Kellmann
  • 12. März
  • 4 Min. Lesezeit

Diego: Magie am Ball, für immer grün-weiß


Das Flutlicht taucht das Weserstadion in ein sanftes, nostalgisches Licht. Die Fans stehen, viele in alten Trikots mit der legendären Nummer 10 auf dem Rücken. „Dieeeego! Dieeeego!“ hallt es über den Platz. Es ist, als hätte die Zeit einen Moment angehalten, als wären es wieder die späten 2000er, als ein kleiner Brasilianer mit tief sitzenden Stutzen, einer erstaunlichen Mischung aus Leichtigkeit und unbändiger Entschlossenheit, das Spiel nach seinen Regeln gestaltete. Doch heute ist es kein Bundesligaspiel, kein Europapokalabend. Es ist sein Abschied. Diego kehrt zurück nach Bremen. Ein letztes Mal.


Ein Junge aus Ribeirão Preto – Der Beginn eines Traums


Wenn man Diego Ribas da Cunha beschreibt, dann landet man unweigerlich bei Adjektiven wie verspielt, kreativ, genial. Doch seine Geschichte beginnt nicht in Bremen, sondern in Ribeirão Preto, einer Stadt mit fast 700.000 Einwohnern im Bundesstaat São Paulo. Schon als Kind war der Ball sein bester Freund. Während andere Kinder im Staub der Straßen Fangen spielten, jonglierte Diego stundenlang, bis das Leder ihm blind gehorchte.


Mit sechs Jahren trat er dem Comercial FC Ribeirão Preto bei, doch sein Talent katapultierte ihn schon bald zu einem der größten Klubs des Landes: dem FC Santos. Dort, in der fußballerischen Heimat von Pelé, reifte der schmächtige, aber wendige Junge zu einem der aufregendsten Talente Brasiliens. 2002, mit gerade einmal 17 Jahren, feierte er sein Profidebüt. Zusammen mit Robinho, dem anderen großen Rohdiamanten dieser Zeit, führte er Santos zur Meisterschaft. Diego war kein normaler Teenager, er war ein Versprechen. Ein Versprechen, das Europa nicht übersehen konnte.


Die erste Station in Europa: Ein lehrreiches Missverständnis

2004. Porto. Diego kommt nach Europa. Der FC Porto ist gerade frischgebackener Champions-League-Sieger, aber ohne seinen Spielmacher Deco, der nach Barcelona weitergezogen ist. Diego soll die Lücke füllen – doch es gelingt ihm nicht. Er spielt nicht schlecht, er hat seine Momente, aber er ist nicht Deco. Und Porto will Deco.


Ein Jahr, dann zwei – Diego ist Teil der Mannschaft, aber nicht der Star, der er sein will. Vielleicht passt er nicht nach Europa? Vielleicht ist dieser Kontinent nichts für Künstler wie ihn? Dann kommt der Anruf aus Bremen.


Grün-weiße Magie: Diego wird zum Künstler der Bundesliga


Bremen, Sommer 2006. In Deutschland ist man skeptisch. Ein Brasilianer, der sich in Portugal nicht durchgesetzt hat, soll nun Johan Micoud ersetzen? Werder Bremen, damals noch eine Mannschaft mit Anspruch auf den Titel, geht ein Wagnis ein. Doch bereits nach den ersten Wochen ist klar: Diego ist gekommen, um zu bleiben.


Es dauert nicht lange, bis er die Bundesliga verzaubert. Seine Pässe sind punktgenau, seine Freistöße wie mit einer Schablone gezogen. Doch es ist nicht nur sein Können, das ihn auszeichnet, es ist sein Spielwitz, seine Spielfreude. Diego ist einer, der Fußball nicht nur spielt, sondern ihn lebt.


Das Weserstadion wird seine Bühne, Thomas Schaaf sein Dirigent, Miroslav Klose und später Claudio Pizarro seine perfekten Tanzpartner. 2006/07 führt er Werder auf Platz drei, wird Spieler des Jahres in Deutschland, seine Tore sind Highlight-Compilations für die Ewigkeit.


Dann kommt dieser eine Moment, dieses eine Tor, das für immer mit ihm verbunden bleiben wird.


Das Tor des Jahrzehnts – oder: Wer braucht schon Schwerkraft?


April 2007. Werder gegen Aachen. Die Uhr zeigt die 88. Minute. Bremen führt 2:1. Diego bekommt den Ball knapp hinter der Mittellinie, sieht, dass Aachens Torwart weit vor seinem Kasten steht – und hebt den Ball mit einer Lässigkeit, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes getan, aus 60 Metern ins Tor. Das Weserstadion explodiert. Thomas Schaaf auf der Bank kann nur ungläubig den Kopf schütteln. Dieses Tor ist nicht von dieser Welt.


Es ist ein Tor für die Ewigkeit, ein Tor, das man in Bremen noch in 50 Jahren erzählen wird. Es macht Diego unsterblich.


Der Abschied von Bremen – Ein neuer Versuch in Italien


Doch jeder Zauber endet einmal. 2009, nach drei Jahren, verlässt Diego Bremen. Juventus Turin ruft. Italien, ein Land, das für Taktik und Strenge steht, nicht unbedingt für die Verspieltheit eines Diego. Und so kommt, was kommen muss: Es wird nicht seine Liga. Er spielt, aber er blüht nicht auf. Ein Jahr später kehrt er nach Deutschland zurück – zum VfL Wolfsburg.


Es gibt starke Spiele, aber auch Streitigkeiten. Es ist nicht mehr das freie Spiel aus Bremer Zeiten, nicht mehr dieser unbändige Spaß. Diego ist noch immer ein großartiger Fußballer, aber er scheint nicht mehr ganz der Alte zu sein.


Er geht nach Madrid zu Atlético, gewinnt dort die Europa League, kehrt zurück, spielt in der Türkei für Fenerbahçe, kehrt 2016 nach Brasilien zurück zu Flamengo, gewinnt dort Titel, wird zum Anführer. Seine Karriere ist erfolgreich, aber nie wieder so magisch wie in Bremen.


Ein letzter Tanz in Bremen – Die Rückkehr für das Abschiedsspiel


Und nun kehrt Diego zurück. Nicht als Spieler, nicht für eine Saison, sondern für einen letzten Tanz im Weserstadion. Am 22. März 2025 wird das Stadion voll sein, die Tribünen werden vibrieren, wenn sein Name verkündet wird. Noch einmal werden alte Weggefährten an seiner Seite stehen, Pizarro, Frings, Mertesacker – und natürlich Thomas Schaaf auf der Trainerbank.


Es wird ein Fest der Nostalgie, eine Reise zurück in eine Zeit, in der Bremen noch um Titel spielte, in der Werder-Fußball ein Versprechen war. Und wenn Diego dann auf dem Rasen steht, wenn er den Ball bekommt, kurz hochblickt, vielleicht einen Torwart zu weit draußen sieht – dann wird das ganze Stadion den Atem anhalten.


Denn irgendwo tief in ihm, in diesem magischen Fuß, steckt sie noch, die Kunst des Unmöglichen. Und wer weiß? Vielleicht schenkt Diego Bremen noch ein letztes Tor, das sich anfühlt, als hätte sich die Zeit doch nicht weitergedreht.

Kommentare


abonniere unseren newsletter

Kontaktiere uns

bottom of page